Es ist wieder so weit, wurde auch Zeit, denn über Fußball-Rankings und Tabellen lässt sich trefflich diskutieren und streiten. Fans, Ultras, Supporters – das Bundesliga-Fanranking versucht, Stimmung und Support in der höchsten deutschen Spielklasse widerzuspiegeln, aufs Kalenderjahr bezogen, nicht auf eine komplette Saison. Fanclubs, Capos, Fahnenschwenker. Choreomeister, Stehplatzsupporter, Sitzplatzhocker. Dauerkarten-Opas, Bratwurst-Junkies, Allesfahrer. Sie alle haben ein eigenes Fan-Ranking, eine eigene Tabelle in der Bundesliga verdient. Ein Fan-Ranking für Fans & Ultras – keine Hooligan-Tabelle. Und eigentlich müsste man das noch mal aufteilen in Heim- und Auswärts-Support, aber wir haben versucht, die rein subjektiven Eindrücke, Meinungen, Vorurteile und Wahrheiten vom harten Kern der Redaktion und unserem Umfeld auch für das Jahr 2010 wieder zu einer einzigen FANartisch-Tabelle zusammenzufassen… (Beschwerden bitte an die eigene Kurve/Tribüne bzw. an den eigenen Auswärtsmob! Eure eigenen Fan-Rankings und Stimmungstabellen zur Bundesliga oder sachliche Kritik sind in den Kommentaren sehr willkommen…)

Die FANartisch-Tabelle 2010:

1. BVB – Borussia Dortmund
2. SGE – Eintracht Frankfurt
3. FC St. Pauli
4. FCK – 1. FC Kaiserslautern
5. HSV – Hamburger SV
6. Effzeh – 1. FC Köln
7. Glubb – 1. FC Nürnberg
8. FSV Mainz 05
9. S04 – FC Schalke 04
10. H96 – Hannover 96
11. BMG – Borussia M’gladbach
12. FCB – FC Bayern München
13. VfB Stuttgart
14. SC Freiburg
15. Werder Bremen
16. Bayer Leverkusen
17. VfL Wolfsburg
18. „1899“ – TSG Hoffenheim

Die Bundesliga hatte 2010 Glück mit den beiden Aufsteigern: St. Pauli- und FCK-Fans gehören in jeder Liga zum Leidenschaftlichsten und Besten, was Fußball-Support in Deutschland zu bieten hat, und auch die Aufstiegsfeiern auf St. Pauli und in Kaiserslautern hielten, was Euphorie und Emotionen versprachen. Und was können die engagiertesten Fans und Ultras des FC St. Pauli dafür, dass das Stadion am Millerntor mit dem Umbau auch die young & rich urban Erfolgsfans in die neuen VIP-Logen des gentrifizierten Hamburger Stadtteils spült. Da bleibt der Kuchenblock der Tribüne schon mal länger in der Halbzeitpause, das ist ja im Zweifel nur Fußball, was man da auf den pofreundlich angewärmten Sitzplätzen verpasst.

Doch zurück von der allgemeinen Gentrifizierungs- und Fußball-Kommerz-Kritik zu den Fans und Ultras, zum aktuellen Fan-Ranking der Bundesliga: Wenn in Deutschland eine Fangemeinde in der Tabelle vor der SGE aus Frankfurt liegt, muss man das schon begründen, aber in Dortmund ist zwischen BVB-Fans, Mannschaft und Trainer unter dem Druck der Nach-mir-die-Sintflut-Schulden-Ära Niebaum/Meier etwas Großes zusammengewachsen: Identifikation und Support at its best. Dass der BVB einen meisterlich innovativen und leidenschaftlichen Anhang hat, steht außer Frage, aber die Identifikation mit der Arbeit von Jürgen Klopp und mit der jungen läuferisch, kämpferisch und spielerisch bestens eingestellten Mannschaft hat mit der Rekord-Hinrunde 2010/2011 einen sensationellen Höhepunkt erreicht. Quantitativ wie qualitativ. Und „Kein Zwanni für nen Steher“ ist darüber hinaus eine Fan-Initiative, die vereinsübergreifend vielen Fußball-Fans in Deutschland aus dem Herzen und dem Geldbeutel spricht und die von Dortmund aus bundesweit Schule gemacht hat.

Der Verdrängungs-Wettbewerb im Stimmungs-Ranking der Fußball-Fans war in der Bundesliga umso brutaler, als wir wieder mal keine Platzierung doppelt vergeben haben, aus Prinzip. Und alles konnte wie immer nur Geschmackssache sein, rein subjektiv, mit dem Versuch, der eingeforderten Objektivität und Distanz wenigstens ein bisschen gerecht zu werden. Die Platzierungen von HSV bis Mainz trennen nur Nuancen, wenn der Mainzer Auswärtssupport noch besser würde, könnte man sogar die Erfolgsfans der Bruchweg-Boys vergessen, die „ihr“ Team neuerdings im eigenen Stadion schon nach wenigen Minuten auspfeifen, wenn es beim FSV nicht läuft. HSV-Fans werden dagegen zu Recht sauer darüber sein, dass wir ausgerechnet den FC St. Pauli mit dem Aufstiegsbonus in Hamburg vor das Supporters-Urgestein der Bundesliga platzieren, aber stimmungsmäßig konnte das lethargische Söldner-Team auch unter Armin Veh nur selten mehr aus ihren Fans und Ultras rauskitzeln als unter Fan-Schreck Brüno Labbadia. Mit der Gesamtsituation unzufrieden… Vom Schalker Markt aus setzt sich die Kater-Stimmung auf Schalke bis in die Arena durch, die Identifikation mit dem radikalen Umbau von Felix Magath ist beim Traditionsverein an Grenzen gestoßen, die S04-Fans zu verzweifelten Dauer-Kopfschüttlern werden ließ. Mehr Uneinigkeit, Unverständnis, Ungeduld und Unzufriedenheit muss man außerhalb der Stadtgrenzen Gelsenkirchens erst mal finden, und dann auch noch passend dazu ein Dachschaden mit BVB-Fahne in der Winterpause. Ganz Schalke ein Pulverfass – und wenn jetzt noch Sympathie-Träger und Identifikationsfigur Manuel Neuer zu den Bayern gehen sollte…

Boom hat es in Hannover schon 2009 gemacht, die Nachricht vom Tod Robert Enkes schlug nicht nur bei 96-Fans ein wie eine Bombe, drückte auch 2010 bei Mannschaft und Umfeld von Hannover 96 auf die Stimmung. In der Trauer zeigten die 96er Größe, auch wenn darüber sogar der Abstieg drohte. Doch die Dauer-Depression konnte verhindert werden, die Roten kämpften sich aus dem Tief von Leid und Mitleid. Und siehe da: Selten war die Fan-Stimmung in Hannover euphorischer, selten der Support so mitreißend wie in der zweiten Jahreshälfte 2010. Mittelmäßig ist anders, auch wenn es insgesamt im Fanranking nur für einen Sprung vor die Bayern-Fans gereicht hat. Meister-, nein, Double-Fans 2010 – ein Schuss, ein Tor, die Bayern. Während der Auswärtssupport der Münchner immer mehr Konturen bekommt und international auch daheim mit mehr als respektablen Choreos aufgetrumpft wurde, bleiben die Heimspiele des FC Bayern München die unberechenbare Krux, an der sich die Geister scheiden. Nicht wenigen Fans und Ultras gelingt es, ihren Auftritt in der Allianz-Arena vom Support her zum Heimspiel zu machen, obwohl es auf dem Platz nichts bis gar nichts zu holen gibt. Immer noch schwer einzuordnen also, „die“ Bayern-Fans in unserem Fan-Ranking. Und dann kommt schon der stimmungsvolle Abschwung: Die Werder-Fans leiden wie die VfB-Fans nicht nur unter dem Stadionumbau, sondern auch sonst unter Stimmungsschwankungen. Die geben bei den obligatorisch am Tabellen-Ende der Fußball-Begeisterung zu findenden Werks- und anderen Plastik-Clubs den Ausschlag für Bayer Leverkusen auf dem Relegationsplatz. In Wolfsburg ist nach der Meisterschaft 2009 wieder der graue Werksalltag eingekehrt, während wir über Hoffenheim wohl besser schweigen. Und das ist auch gut so…

PS: Zum Vergleich:
Das Bundesliga-Fan-Ranking 2009
Die FANartisch-Tabelle 2008
Die FANartisch-Tabelle 2007

*Nein, Hertha BSC, KSC, Hansa Rostock, VfL Bochum, Arminia Bielefeld, Kickers Offenbach, MSV Duisburg, VfL Osnabrück, Rot-Weiß Essen, Fortuna Düsseldorf, Eintracht Braunschweig, Union Berlin, FSV Zwickau, Dynamo Dresden, Leipzig, FC Magdeburg, Carl Zeiss Jena, Waldhof Mannheim, Preußen Münster und Wormatia Worms spielen alle NICHT in der Ersten Bundesliga… Wirklich nicht.